Lothar Fischer

Kurzbiografie

1933am 8. November in Germersheim/Pfalz geboren.   
Der Vater war Bildhauer, die Mutter Malerin
1934 – 1952Kindheit, Schulzeit und Abitur in Neumarkt
1953 – 1958Studium an der Akademie der Bildenden Künste, München
1955Meisterschüler von Heinrich Kirchner
1957Mitbegründer der Künstlergruppe SPUR   
(mit Heimrad Prem, Helmut Sturm, HP Zimmer)
1959Rom Stipendium der Arnold'schen Stiftung;   
Heirat mit Christel Zakrzewski in Lübeck;   
SPUR tritt der S.I. (Situationistische Internationale) bei
1960Kunstpreis der Jugend für Plastik, Mannheim
1961Villa Massimo Stipendium, Rom
1966kurzzeitig Mitglied der Künstlergruppe GEFLECHT
1967Schwabinger Kunstpreis, München
1968Pfalzpreis
1971Förderpreis der Stadt München für Bildhauerei
1972Kunstpreis der Stadt Darmstadt
1975 – 1997Professur an der Hochschule der Künste, Berlin
1990Kunstpreis des Landes Rheinland-Pfalz
1991Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München
2000Kulturpreis der Stadt Neumarkt
2004am 15. Juni in Baierbrunn bei München gestorben;   
Eröffnung des Museums Lothar Fischer am 19. Juni in Neumarkt i.d.OPf.

Zum Werk

Lothar Fischer zählt zu den wichtigsten figürlichen Bildhauern in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. 

Sein Œuvre lässt sich in unterschiedliche Werkphasen gliedern: von der Studienzeit an der Akademie der Bildenden Künste in München (1953 – 1958) über die Jahre mit den Münchner Gruppen SPUR (1957 – 1965) und GEFLECHT, die von der Pop Art beeinflusste Phase (1966 – 1968) bis hin zu den Hüllen-Plastiken (1969-1974). Mit Beginn der Professur für Bildhauerei an der Hochschule der Künste in Berlin 1975 wird Fischers Schaffen formal stärker von Strenge und Geschlossenheit geprägt. Im Anschluss kristallisieren sich organische Konstruktion und Transparenz sowie das Thema der Variation als wesentliche Merkmale seiner Bildsprache heraus. Trotz unterschiedlicher Schaffensphasen erschließt sich Lothar Fischers Gesamtwerk als überzeugende Einheit. 

Zu Studienbeginn orientiert er sich künstlerisch an seinen Lehrern, dem Bildhauer Heinrich Kirchner und dem Akademieprofessor Toni Stadler. Zu bildnerischer Eigenständigkeit findet er ab 1957 in der Künstlergruppe SPUR, die er mit drei weiteren Akademieabsolventen, den Malern Heimrad Prem, Helmut Sturm und HP Zimmer, am Ende des Studiums ins Leben ruft. Durch ihre provokanten kunstpolitischen Aktivitäten, die Verbreitung von Flugblättern, Manifesten und Zeitschriften beschwören die Protagonisten der Gruppe heftige Reaktionen von Staat und Justiz in Bayern herauf. Doch trägt die Gruppe maßgeblich zur künstlerischen Aufbruchsstimmung in Deutschland bei. In der Auseinandersetzung mit dem Werk Wassily Kandinskys, dem Bildaufbau des Kubismus, dem Malprozess des Informel sowie mit dem Schaffen Max Beckmanns und der Dynamik des barocken Bildraums finden die Künstler zu einer eigenständigen Bildsprache, die Figuratives mit Abstraktem verbindet. 1965 stellt die Gruppe SPUR allerdings zunehmend ihre eigenen Bildinhalte in Frage. Durch die Zusammenarbeit mit der Gruppe WIR erhofft sich SPUR neue Impulse, und 1966 geben sich beide Künstlergemeinschaften den gemeinsamen Namen GEFLECHT und beginnen mit dem Bau reliefartiger Raumplastiken (Antiobjekte). »Op-Bob«,1966, ist eine der wenigen Arbeiten Fischers aus dieser Phase. Er verlässt die Gruppe schon kurz nach ihrer Gründung wieder. 1968 löst sich im Zuge der Studentenbewegung die Gruppe GEFLECHT auf, weil es keine Einigung gibt in der Frage, ob man den künstlerischen Impetus verstärkt in eine politische Aktion überführen soll. 

Mitte der 1960er Jahre wird noch vor der GEFLECHT-Zeit in Fischers Werk zunehmend der Einfluss der aus Amerika und England kommenden Pop Art spürbar. Dies bezeugen seine beiden bemalten Tonplastiken »Kartenspieler« und »Nächtliches Bad« von 1966 sowie die aus Ton geformte und anschließend lackierte »Große Tube« von 1968. Später bemerkte Lothar Fischer, dass er »Pop teilweise schwer verkraften konnte«, doch rückblickend ist die Tuben-Hohlform ein wichtiger Entwicklungsschritt hin zu der von ihm selbst als Hüllen-Phase benannten Werkperiode. Arbeiten wie »Liegende Maja I«, 1969, belegen, wie er sich mit der Hülle als bildnerischer Form auseinandersetzt und die Tonoberfläche wieder an Lebendigkeit und Sinnlichkeit gewinnt. Die Hüllen-Phase beschäftigt den Bildhauer bis Mitte der 1970er Jahre.

Mit dem Beginn von Lothar Fischers Hochschultätigkeit in Berlin ab 1975 setzt für ihn eine neue Schaffensphase ein, die er selbst als »Idole – Konzeption, Strenge und Geschlossenheit 1975-1985« bezeichnet. Jetzt entwickelt er formal-bildnerisch seine sogenannten Kunstfiguren, die die Wirklichkeit nicht abbilden, sondern parallel zu Natur entstehen. So lautet auch sein Credo: »Bilden heißt nicht abbilden. Mein Thema ist hauptsächlich der Mensch in seinen Grundhaltungen: Stehen – Sitzen – Liegen, aber begriffen als Kunstfigur«. Der spielerische Gestaltungsprozess weicht nun einer konstruktiv-gelenkten Vorgehensweise. Zudem knüpft Lothar Fischer künstlerisch an ein vor- und frühgeschichtliches Menschenbild an und lässt sich von archaischen Formen inspirieren, so dass seine Plastiken stets fremdartig und rätselhaft wirken. Auch gießt er jetzt verstärkt Arbeiten in Bronze und Eisen. Bronze ist das geschmeidigere Material, das in der Regel für kleinformatige, detailreichere Werke genutzt wird. Die Großplastiken für den Außenbereich werden hingegen zumeist in Eisen gefertigt, da sich das hierbei zur Anwendung kommende Sandgussverfahren technisch für einfach gebaute, großflächige Arbeiten besser eignet. Später entwickelt Lothar Fischer im gleichen Verfahren einige Eisengitter wie »Tier im Arm I«, 1991, die er ohne vorher ein Modell herzustellen, direkt in den Sand zeichnet. 

Mitte der 1980er Jahren gibt Lothar Fischer die strenge Formgebung seiner Werke zugunsten organisch-spontaner Konstruktionen und Verflechtungen wieder auf. Auch der Umgang mit dem Material wird spielerischer; seine Plastiken weisen vermehrt Öffnungen und Durchblicke auf und wirken somit transparenter.1996/1997 werden von Lothar Fischer nach einem gewonnenen Wettbewerb die acht überlebensgroßen Bronzeunikate »Enigma-Variationen« am Hamburger Meßberghof realisiert. Sowohl die Gussmodelle aus Gips und Styropor – Fischer sah sie als autonome Plastiken an – als auch die Wettbewerbsmodelle werden heute im Museum Lothar Fischer präsentiert. 

Parallel zu seinem plastischen Œuvre hinterlässt der Künstler ein umfangreiches grafisches Werk, angefangen bei Kinderzeichnungen, über Akademie-Blätter, bis hin zu Aquarellen und Gouachen der SPUR-Zeit, zu Pop-Grafiken, zu dem in den Jahren von 1975 bis 2003 entstandenen umfangreichen Konvolut der Tuschpinselzeichnungen. Auch anhand seiner 72 Skizzenbücher, die er ab 1967 bis kurz vor seinem Tod 2004 mit über 6.000 Zeichnungen füllt, wird sein Interesse am Skizzieren deutlich. “Zeichnen“, so Fischer, „ ist für mich eine fast tägliche Übung und begleitet seit Jahrzehnten meinen bildhauerischen Weg.“